Solare Stadt: Wie die urbane Energiewende voranschreiten kann

Blick auf die Dachsanierung mit Solardachziegeln der Schwestern des Erlösers in der Würzburger Innenstadt. Die solare Stadt könnte unser Energieproblem in Teilen beheben. Doch was muss passieren, damit die urbane Energiewende richtig Fahrt aufnehmen kann? (Foto: Matthias Hofner, BLfD)

Eigentlich wäre sie bereits da, die urbane Energiewende, denn schon heute könnten deutsche Großstädte ihren Energiebedarf zu 100 Prozent mit Solarenergie decken. Zumindest theoretisch, gab erneuerbareenergien.de bereits 2019 an. Was hält uns also davon ab, unsere Versorgung am besten morgen umzustellen, und was muss passieren, damit die Revolution der solaren Städte starten kann?

„Rein rechnerisch könnten die meisten deutschen Großstädte mit einer Solarzellenbebauung von fünf bis zehn Prozent ihrer Stadtfläche mit Solarstrom versorgt werden“: Die Autorin Maria Götzel von der Berliner Agentur Peak Ace veröffentlichte 2019 auf erneuerbareenergien.de, dass etwa Berlin zu 8,4 Prozent seiner Stadtoberfläche mit Solarzellen ausgestattet werden müsse; in München seien das 8,8 Prozent, in Freiburg wiederum schmale 2,8 Prozent. Dann könnten sie autark ihre eigene Solarenergie produzieren. Zugrunde liegen diesen Berechnungen ein Grundbedarf von 7,2 Megawattstunden pro Jahr und Einwohner:in sowie ein Energieertrag von 200 Kilowattstunden pro Sonnenstunde auf den Quadratmeter Solarzelle. Werte, die Expert:innen wie die vom Fraunhofer Institut so nicht unterschreiben können: 2022 blieben die deutschlandweit installierten PV-Anlagen laut dem Leitfaden „Aktuelle Fakten zur Photovoltaik in Deutschland“ deutlich unter ihrer Nennleistung. Gleichzeitig hat sich jedoch gegenüber 2019 die Leistungsfähigkeit einzelner Module deutlich erhöht. Am Ende steht daher eine Mischkalkulation, die in der Realität durchaus funktionieren könnte.

Solare Stadt – die Vision von der Stadt, die sich selbst versorgt

„Masterplan Solares München“: Konzept für eine Revolution

In einigen Großstädten nimmt diese Überlegung bereits Form an. Der „Masterplan Solares München“ ging beispielsweise im Juni 2023 an den Start und hat einiges vor: Bis 2030 möchte die bayrische Großstadt die Wachstumsrate von PV-Lösungen um 40 Prozent erhöhen, sodass pro Jahr rund 100 Megawatt Peak angepeilt werden können. Langfristig soll damit die Energie der Isar-Stadt zu 25 Prozent von eigenen Solaranlagen gedeckt werden – den Anfang machen bereits zahlreiche, durch die Energiewende motivierte Münchner:innen, die ihre Stromversorgung nach und nach umstellen. Wir durften einige von ihnen während der Sanierung mit Solardachziegeln  in München-Pasing begleiten. Außerdem geht das Konzeptpapier auch den Ausbau der Stromspeicher-Infrastruktur an.

Der “Masterplan Solares München” schafft laut Oberbürgermeister Dieter Reiter „einen verlässlichen Rahmen für Verwaltung, Wirtschaft, Handwerk, Gebäudeeigentümer:innen und Münchner:innen“. Einige der Punkte finden in München schon länger Anwendung. So erfreut sich das städtische Förderprogramm für Balkonkraftwerke und größere Anlagen großer Beliebtheit. Überdies geht die Kommune selbst mit gutem Beispiel voran und betreibt und fördert auf öffentlichen Gebäuden eigene Photovoltaik-Anlagen.

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In Städten kommen auch Lösungen wie Balkonkraftwerke infrage. (Foto: Rudy23, wikimedia commons)

Auch die Hauptstadt fährt einen ähnlichen "Masterplan Solarcity Berlin", der ebenfalls eine Abdeckung von 25 Prozent des Strombedarfs durch Solarenergie vorsieht. Bis 2045 möchte die City sogar klimaneutral werden.

Der Energiebedarf in deutschen Städten bleibt hoch 

Wollen wir die Energiewende vorantreiben, sind unsere Städte also ein entscheidender Faktor. Immerhin fällt hier die Lastdichte, also die relative Belastung des Stromnetzes, durch die dichte Besiedlung besonders hoch aus. Von einem Alltag in solaren Städten sind wir jedoch noch weit entfernt, wie die Daten zu Stromverbrauch und erneuerbaren Energien aus deutschen Metropolen zeigen:

Was also, wenn wir unsere Städte, ihre Dächer und Flächen deutlich effizienter als Ressource nutzen könnten? Dass städtische Dächer ihren Beitrag zur Energiewende leisten können, sieht man auch im Rahmen anderer Projekte. Zur Luftkühlung und Begrünung werden in Hamburg vertikale Parks gebaut, die Supermarktkette Rewe züchtet auf einem Wiesbadener Dach dank Aquaponik Kräuter und Fische im eigenen Ökosystem.

Ein Bunkerdach wird grün: Der NDR dokumentierte jüngst den Bau eines vertikalen Parks in Hamburg. (Quelle: NDR)

Nicht jedes Dach bietet jedoch einen optimalen Standort für PV-Anlagen. Wie viel Potenzial in deinem Dach steckt, kannst du deswegen mithilfe des Solarpotenzialkatasters überprüfen. Beim Überfliegen zumeist städtischer Gebiete wurden Dächer zunächst gescannt. Aus diesen Daten wurden dann Modelle gerendert, die Aufschluss über Verschattung und Einstrahlung der Dachflächen geben. Fällt zu viel Schatten, wurde der Bereich mit einem niedrigen Potenzial eingestuft. Auf den Webseiten der teilnehmenden Kommunen können Interessierte dann ihre Adresse eingeben und das Solarpotenzial ihrer Immobilie und der einzelnen Dachflächen überprüfen sowie eine passende PV-Lösung konfigurieren.

Außerdem lassen sich hier Wirtschaftlichkeit, der voraussichtliche Zeitpunkt der Amortisierung und ein PDF mit sämtlichen Daten generieren, das beim Energieberatungs- oder Solarunternehmen des Vertrauens vorgelegt werden kann. Solche transparenten, nutzwertigen Lösungen leisten einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung und machen den Weg hin zur urbanen Energiewende für Verbraucher:innen einfacher.

Klick für Klick durch das Solardachkataster: ein wichtiges Werkzeug für die Energiewende. (Quelle: Regionalverband Ruhr)

Dass öffentliche Information und deren Zugänglichkeit sowie die Kommunikation der Kommunen eine Schlüsselrolle für die solare Energiewende spielen, stellte die Europäische Vereinigung für erneuerbare Energien nach einem Kongress in 2019 einstimmig fest. Im Vergleich innerdeutscher Maßnahmen stachen vor allem diejenigen Projekte heraus, die nachhaltig Öffentlichkeitsarbeit betrieben und die Stadtbewohner:innen so von eigenen PV-Anlagen überzeugt hatten. Diese könne allerdings nur dann Früchte tragen, wenn der Gesetzgeber die solare Energiewende auch ökonomisch attraktiver werden lasse.

Solare Stadt: Dieser Weg führt zur urbanen Energiewende

Das Zusammenspiel von frei verfügbaren Informationen, Förderinitiativen und regionalen Projekten bringt uns also auf den Weg hin zur solaren Stadt. Doch was muss konkret passieren, damit deutsche Metropolen unabhängig und sicher ihre eigene Stromversorgung via Photovoltaik leisten könnten?

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In München Pasing haben die Eigentümer:innen von sieben Reihenhausdächern 2022 entschieden, Teil der Energiewende zu sein. Ihre Dächer wurden 2023 mit Solardachziegel von Jacobi Walther mit Autarq Technologie gedeckt. (Foto: Franz Kimmel)

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    Für eine solare Stadt müssen wir neue Flächen erschließen.

    Bleiben wir beim Berliner Denkexperiment, so scheitert die Umsetzung bereits an der zur Verfügung stehenden freien Fläche, die zur Bebauung mit PV-Modulen benötigt würde. Laut Berliner Stadtwerke und dem Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität stünde zu diesem Zweck lediglich eine Fläche zur Verfügung, die zwischen 25 und 30 Prozent des Strombedarfs der Hauptstadt decken könnte. Diagnose: ungenügend.

    Die Investition in innovative Technologien, Start-ups und Projekte wie das Solarpotenzialkataster können die maximale Nutzung der vorhandenen Flächen sowie die Entwicklung neuer Lösungen abseits von Dachflächen vorantreiben.

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    Solare Städte brauchen Förderprogramme, die Bausubstanz und Sanierungsmaßnahmen bedenken.

    Dachstuhl zu morsch, Dachform zu steil, Dachlage zu schattig? Alles Gründe, warum eine Standard-Solaranlage keine Anwendung finden kann. Eine Lösung können Spezialanfertigungen sein oder solche PV-Module, die den Energieertrag maximieren. Häufig sind diese jedoch im Vergleich teurer oder fallen sogar durch das Raster der Fördermittel.

    Förderprogramme müssen daher unbedingt Sonderfälle einbeziehen. Dass bei Altbauten beispielsweise sämtliche Maßnahmen, die zur Dachsanierung zählen, separat gefördert werden, ist ein Schritt in die richtige Richtung und zahlt positiv auf das Konto der Energieeffizienz ein.

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    Der Denkmalschutz lässt sich bereits in eine solare Stadt integrieren.

    Das Statistische Bundesamt ging 2018 davon aus, dass rund 660.000 Gebäude und damit 2,9 Prozent des deutschen Baubestandes unter Denkmalschutz stehen. Aufgrund der dichten Bebauung konzentrieren sich viele dieser Bauwerke in unseren Großstädten. Um den Bestand zu sichern, der während des Zweiten Weltkriegs stark beschädigt und dezimiert wurde, gibt es zahlreiche Denkmalschutzvorschriften, die sich je nach Land, Kreis oder sogar Stadt unterscheiden können.

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Nahtlos integriert: Moderne Lösung mit Solardachziegel auf dem  Dach des alten Amtsgerichts in der baden-württembergischen Kreisstadt Künzelsau (Foto: Autarq)

In Anbetracht von Energieeffizienz und -versorgung überlegen Städte jedoch, ob städtebauliche Verträge die Photovoltaik nicht zu sehr einschränken und welche Sonderlösungen auch für denkmalgeschützte Gebäude infrage kommen. Gerade historische und Sakralbauten stellen hier eine Herausforderung dar. Die Zusammenarbeit unterschiedlicher Dachgewerke bietet jedoch bereits Lösungsansätze. Ein offener Austausch zwischen Besitzer:innen und Kommunen und eine Senkung der bürokratischen Hürden kann dazu beitragen, zahlreiche neue Flächen für städtische Solaranlagen zu erschließen.

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    Solare Städte brauchen willige Akteur:innen.

    Deutsche Bürger:innen sind bereit für die Energiewende. Hausbesitzer:innen können, um diese zu unterstützen, selbstständig PV-Anlagen betreiben, die teilweise auch förderungsfähig sind. Die Nachfrage ist laut den Solargewerken enorm hoch. Doch auch Eigentümer:innen von einzelnen Wohneinheiten in Mehrfamilienhäusern können die Installation einer Solaranlage vorantreiben und mutig die Initiative bei ihrem Verbund an Eigentümer:innen ergreifen. Ist die Kostenverteilung einmal geklärt, dürfen dann alle Beteiligten die neue, solare Energie nutzen. Innerstädtische Solaranlagen können zudem von Energieversorgern betrieben werden, wenn sich diese der Akquise geeigneter Flächen annehmen.

    Dabei ist die Investition in die eigene Immobilie in der Regel mit einer Wertsteigerung verbunden. Mehr noch: Wer sein Dach saniert und der Solardachpflicht gänzlich aus dem Weg geht, riskiert hohe Strafen.

    Gerade an dieser Stelle hilft eine umfassende Aufklärung durch die Kommunen, zum Beispiel in Form von Konzepten wie „Masterplan Solares München“. Ein solches Rahmenprogramm mit transparenter Rollen- und Ressourcenverteilung nimmt Angst vor der Bürokratie. In München ist bereits klar: Aktuelle Fortschritte in der städtischen Solarversorgung sind fast ausschließlich auf Privatpersonen zurückzuführen.

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    Wir müssen Stromspeicher ausbauen.

    Wenn die Sonne nicht scheint, kann mit PV-Modulen auch kein Strom gewonnen werden – für den nächtlichen Bedarf wie das Aufladen von Geräten, E-Autos oder Straßenbeleuchtung muss also vorgesorgt werden, indem Städte und Versorger die Infrastruktur zum Zwischenspeichern von Strom ausbauen. Dann kann eine flächendeckende Versorgung über solare Energie gelingen. 

    Bis zur vollständig autarken Solarstadt mag der Weg noch weit erscheinen, aber das Bewusstsein für erneuerbare Energien, Förderprogramme und Sanierungspflichten wächst auf allen Seiten. Die Nachfrage ist da: Jährlich gibt es in Deutschland eine Solardach-Nachfrage, die einer Leistung von 5 Gigawatt gleichkommt. Mit starken Kommunikations- und Energiewendekonzepten können Städte die Marschrichtung vorgeben – Verbraucher:innen werden ihnen in die urbane Zukunft folgen.

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