Energiewende: Was bedeutet sie, wo stehen wir und was kannst du dazu beitragen?

Windkraft ist eine Säule der Energiewende. (Bild: Pixabay / matthiasboeckel

Bundeskanzler Olaf Scholz redet nicht um den heißen Brei herum. Er ist sich bewusst, welch große Aufgabe die Energiewende für Deutschland ist. „Wir stehen vor der größten industriellen Modernisierung in Deutschland seit Ende des 19. Jahrhunderts – diese Aufgabe sollte niemand unterschätzen“, sagte er im Januar 2023 in einem Interview mit der taz. Was das „unbedingte“ Ziel seiner Regierung – das Erreichen der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 – mit sich bringt, erläuterte er in diesem Zusammenhang auch: „Das heißt, wir müssen bis 2030 rund 80 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren gewinnen – bei gleichzeitig stark wachsender Stromerzeugung. Denn wir müssen die Industrie von Kohle, Öl und Gas auf Strom und Wasserstoff umstellen. Gleichzeitig müssen Mobilität und Heizen klimaneutral werden.“

Erneuerbare Energien, ökologische und digitale Transformation, Loslösen von Kohle, Öl und Gas: Die Energiewende muss auf verschiedenen Gebieten angepackt werden. „Für eine gelungene Energiewende in Deutschland braucht es mindestens fünf Zutaten: Solarzellen und Windräder für fast Co²-freien Strom, Batterien, Wechselrichter (die den Strom vom Dach umwandeln) und Wärmepumpen“, schrieb die Zeit. Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin, erklärte im ZDF: „Das mit Abstand größte Potenzial haben in Deutschland die Windkraft und die Photovoltaik.“

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Auf diesen Dächern in München-Pasing wird seit Juni 2023 mit Solardachziegeln mit Autarq Technologie Strom erzeugt. Die Eigentümer:innen freuen sich, einen Beitrag zur Energiewende zu leisten (Foto: Franz Kimmel)

Der Zubau von Windrädern ist allerdings ein heikles Thema. Bundeskanzler Scholz sagt zwar, seine Regierung habe bereits viele Gesetze geändert, um den Bau von Windkraft- und Solaranlagen sowie den Ausbau der Netze zu beschleunigen. Das Ziel müsse lauten, „bald jeden Tag drei bis vier große Windkraftanlagen in Deutschland aufzustellen.“ Doch das ist leichter gesagt als getan, denn gegen den Bau von neuen Windrädern regt sich oft großer Widerstand. Quaschning fordert diesbezüglich mehr Verständnis. Die Gesellschaft müsse bereit sein, Windräder oder Solaranlagen im Landschaftsbild zu akzeptieren. „Eine Energiewende, die man nirgendwo sieht, gibt es nicht.“

Wie groß der Sprung ist, der alleine im Bereich der Erneuerbaren Energien gemacht werden muss, verdeutlichen diese Zahlen der Bundesregierung: „Bis 2030 soll der Bruttostromverbrauch zumindestens 80 Prozent aus Erneuerbaren Energien gedeckt werden. 2022 waren es 46,2 Prozent. Ihr Anteil muss sich also innerhalb von weniger als zehn Jahren fast verdoppeln.“ Damit das gelingen kann, müssen Wind- und Solarenergie dreimal schneller als bisher ausgebaut werden,  sagt die Bundesregierung – „zu Wasser, zu Land und auf dem Dach.“ Zudem muss die Strommenge, die Deutschland benötigt, bis zum Jahr 2030 laut Scholz um ein Drittel erhöht werden. „Und zehn Jahre später muss sie sich noch einmal verdoppeln.“ Nur so könne Deutschland 2045 ein klimaneutrales Industrieland werden.

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Bundeskanzler Olaf Scholz weiß, dass es bei der Energiewende noch einiges zu tun gibt. (Bild: Pixabay / TobiasRehbein)

Die große Frage, die über diesem großen Thema schwebt, lautet: Tut Deutschland auch genug, um die selbst gesteckten Ziele erreichen zu können? Die Bundesregierung ist sich jedenfalls bewusst, dass sich noch einiges tun muss. Ihren Artikel „Mehr Energie aus erneuerbaren Quellen“ vom 25. April 2023 hat sie mit der Dachzeile „Energiewende beschleunigen“ versehen. Auch Bundeskanzler Scholz sagte: „Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, brauchen wir mehr Tempo.“

Energiewende in  privaten Haushalten - sie verbrauchen mehr als ein Viertel der deutschen Energie

Wie ambitioniert das Ziel ist, wird auch in der Novelle des Klimaschutzgesetzes 2021 deutlich. Dort heißt es, dass die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 65 Prozent sinken müssen, damit Deutschland seine Klimaschutzziele erreicht. Im Energiesektor müssen sie bis dahin auf 108 Millionen Tonnen Co² – und damit um mehr als die Hälfte – zurückgehen. Wie schwer es ist, den geplanten Rückgang auch in die Tat umzusetzen, verdeutlichen diese Zahlen der taz. Demnach hat Deutschland im Jahr 2022 761 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre geblasen – und damit so viel wie im Jahr zuvor.

Knapp 35 Prozent des Energieverbrauchs in Deutschland entfallen laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) auf den Gebäudebereich. Der Anteil der Privathaushalte am deutschen Energieverbrauch beläuft sich auf mehr als ein Viertel, rechnete die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Ende 2022 vor. Wohngebäude seien daher ein wichtiger Faktor auf dem angestrebten Weg zur Klimaneutralität.

Entscheidend für die Energiebilanz ist der Dämmzustand eines Gebäudes, sprich ob  beispielsweise Außenwand, Dach und Kellerdecke gedämmt sind. Das Thema energetische Sanierung des Gebäudebestandes ist daher ein zentrales – und eines, wo es noch viel Nachholpotenzial gibt. „Der Gebäudebestand in Deutschland ist aktuell noch weit davon entfernt, klimaneutral zu sein“, sagte Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. Allerdings stecke ein erhebliches Potenzial in der energetischen Sanierung der Wohngebäude, betonte sie. „Dieses Potenzial gilt es zu heben.“ Das gilt auch für den Bausektor: Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gehört dieser zu den größten Co²-Emittenten in Deutschland.

Für die Energiewende will die Bundesregierung bis 2030 mindestens 15 Millionen E-Autos

Dem Verkehrssektor kommt im Gesamtprojekt Energiewende ebenfalls eine wichtige Rolle zu. Die Elektrifizierung des Verkehrs, sprich deutlich mehr Elektroautos und Ladestationen, steht dabei im Mittelpunkt. „Der Ausbau der Ladeinfrastruktur muss viel schneller vorangehen“, betonte Scholz. Nur so könne eine „klimaneutrale Mobilität“ erreicht werden. Geht es nach den Plänen der Bundesregierung, sollen bis zum Jahr 2030 mindestens 15 Millionen vollelektrische Autos auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. Doch der Verkehrsbereich hinkt den Zielen erheblich hinterher.

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Die Bundesregierung will die Zahl der E-Autos massiv steigern. (Bild: Pixabay / andreas160578)

„Wir sind in allen wesentlichen Zielgrößen, die sich die Bundesregierung selber gesetzt hat, deutlich im Verzug“, sagte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann im Januar 2023 vor einem Treffen im Kanzleramt gegenüber dem Deutschlandfunk. Bürger:innen seien noch vorsichtig bei der Anschaffung von Elektroautos – vor allem wegen der nicht ausreichenden Ladeinfrastruktur, die ein großes Hemmnis darstelle, betonte Hofmann. Er sprach diesbezüglich von Zögerlichkeit der Automobilindustrie und bei den Plänen, die sich die Politik selbst gesetzt habe.

Um das 15-Millionen-E-Autos-Ziel bis Ende 2030 zu erreichen, müssten in Deutschland im Schnitt täglich rund 5000 E-Autos neu zugelassen werden, rechneten Expert:innen vor. Doch davon ist man noch weit entfernt. Nach einer im Januar 2023 erfolgten Umfrage der Unternehmensberatung Deloitte wollen sich in Deutschland erst 16 Prozent der Verbraucher ein E-Auto anschaffen – und damit kaum mehr als vor einem Jahr. Das Umrüsten auf E-Autos alleine reicht laut Volker Quaschning aber auch nicht. Im ZDF-Interview bezeichnete der Professor für Regenerative Energiesysteme das Elektroauto als „immer nur das kleinere Übel“. Er fordert, die Alternativen zum Auto wie öffentlichen Personenverkehr, die Fahrradinfrastruktur oder Carsharing „im Expresstempo“ auszubauen.

Für den mit Ingenieur:innen, Ökonom:innen, Stadtplaner:innen und Politikwissenschaftler:innen besetzten Thinktank Agora Verkehrswende ist die Energiewende im Verkehr „vor allem eine technische Herausforderung, die allerdings ebenfalls politischer Gestaltung bedarf“. Für das unabhängige Denk- und Politiklabor ruht die Verkehrswende auf zwei Säulen: auf der Mobilitätswende – und auf der Energiewende im Verkehr.

Doch auch was diesen Bereich betrifft, muss die Frage gestellt werden, ob in Deutschland genügend dafür getan wird. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) findet: Nein, das reicht noch nicht. Im Mai 2023 kritisierte die internationale Organisation die deutschen Bemühungen im Verkehrssektor. Der Tenor dabei: Deutschland müsse entschlossen handeln, um umweltfreundliche Mobilität zu fördern. „Anstelle von Einzelmaßnahmen, die in erster Linie umweltfreundlichere Autos auf die Straße bringen sollen, braucht es eine ganzheitliche Strategie für nachhaltige Mobilität“, hieß es im OECD-Bericht. Demnach sollte der Schwerpunkt von der Subventionierung von E-Autos auf den Ausbau der Ladeinfrastruktur verlagert – und der Wettbewerb zwischen den Ladesäulenbetreibern gestärkt werden.

Der Verkehrsbereich hatte im Jahr 2022 gesetzliche Ziele bei  Co²-Emissionen deutlich verfehlt. Selbst das Umweltbundesamt stellte im März 2023 fest: „Der Verkehrssektor ist der Sektor mit dem geringsten Anteil an erneuerbaren Energiequellen.“ Schätzungen zufolge belief er sich 2022 auf gerade einmal sieben Prozent. Für den Thinktank Agora ist zudem klar, dass die Verkehrswende nur international erfolgreich sein kann, da der Verkehr nicht an europäischen Grenzen halt mache  und weil die Verkehrsemissionen nicht durch den europäischen Emissionshandel reguliert seien. Außerdem seien die Vorreiter in diesem Bereich nicht in Europa zu finden, sondern in China und Kalifornien.

Globaler Blick auf die Energiewende: China im Fokus

Ein internationaler Ansatz wäre nicht nur im Verkehrssektor, sondern bei der kompletten Energiewende wünschenswert. Forscher:innen untermauern diese These. Stephen Bi vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und der Universität Potsdam verweist in einer Studie vom Februar 2023 beispielsweise darauf, dass zwar die meisten Länder beschlossen haben, die Kohleverstromung einzustellen, dies aber „fast keine Auswirkungen auf den gesamten zukünftigen Kohleverbrauch“ haben wird.

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Kohlekraftwerke sollen bald der Vergangenheit angehören. (Bild: Pixabay / Benita5

Das liegt daran, dass alleine China „mehr als die Hälfte der Kohle weltweit produziert und verbraucht“. Das bedeutet, dass das globale Gelingen der Energiewende in gehörigem Maße vom Agieren Chinas abhängt. „Die chinesische Regierung muss jetzt schnell handeln“, betont Bi und hat dabei im Hinterkopf, dass in China aktuell noch zahlreiche Kohlekraftwerke gebaut werden. „Die derzeitigen Kohlepläne gefährden Chinas jüngstes Versprechen, den Höhepunkt der heimischen Emissionen vor 2030 zu erreichen und bis 2060 Netto-Null-Emissionen zu erreichen.“

Bi sieht China in einer weltweiten Schlüsselrolle: „Chinas heutiges Handeln kann es in die Lage versetzen, die globale Energiewende entweder anzuführen oder zu behindern.“ Wenn China den Kohleausstieg nicht konsequent umsetzt, bliebe es für Bi unklar, wie wir eine ausreichende Verbreitung der erneuerbaren Energien weltweit erreichen. 

„Unsere Computersimulation der derzeitigen Klimaökonomie und -politik zeigt, dass die Chancen für einen Kohleausstieg bis Mitte des Jahrhunderts weniger als 5 Prozent beträgt“, warnt Bi. „Dies würde bedeuten, dass wir nur minimale Chancen haben, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen und schwerwiegende Klimarisiken zu begrenzen.“ Dennoch ist Deutschland als Vorbild für viele andere Länder gefragt. Das weiß auch Bundeskanzler Scholz. „Als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt ist es unsere Aufgabe zu zeigen, dass Wohlstand auch in einer Co²-neutralen Welt möglich ist“, erklärte er im Januar 2023.

Was alle schon heute zur Energiewende beitragen können

Wie wichtig es beim Thema Energiewende ist, die Menschen mit ins Boot zu holen, wurde 2023 bei den teils heftigen Diskussionen um das sogenannte Heizungsgesetz deutlich. Warum dieses so polarisiert, erklärt die Chefin des Strom- und Energieverbands BDEW, Kerstin Andreae. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung im Mai 2023 sagte sie, dass beim Thema Heizen Millionen Menschen betroffen seien, „und viele haben Sorgen“. Außerdem betonte sie: „Die Wärmewende ist zentral, um unsere Klimaziele zu erreichen.“
 

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Wärmepumpen sollen eine zentrale Rolle bei der Energiewende spielen. (Bild: ccnull / Tim Reckmann)

Laut SWR sind die Heizungen in unseren Häusern mit die größten Co² -Verursacher in Deutschland und machen rund 75 Prozent der Co²-Emissionen in den Haushalten aus, da sie im Wesentlichen noch immer auf Basis fossiler Energieträger laufen. Die Wichtigkeit einer guten Informationsstrategie zum Thema Heizung hob auch der Energieexperte und Professor Michael Rossner hervor. Der Frankenpost sagte er: „Wir können es uns nicht leisten, viele gutwillige Unterstützer der Energiewende durch schlechte Planung zu verlieren und diese im schlimmsten Fall zu Anhängern der Staatsverdrossenen zu machen.“

Andreae warf auch einen Blick ins Jahr 2045, in dem Deutschland dann klimaneutral sein soll. „Wir müssen vor allem die technologische Entwicklung massiv vorantreiben“, sagte sie und verwies dabei auf die neuesten Windräder oder Ladesäulen, die „zigfach effizienter“ seien als jene vor einigen Jahren. Dieser Prozess müsse weitergehen. „Hinzukommen müssen noch bessere Speicher und eine durchgehende Digitalisierung, die bei der optimalen Nutzung des Energieangebots hilft“, betonte sie. Sie sieht die gesamte Energiewende auch als eine „riesige Chance für das Industrieland Deutschland: Wir können die nötigen Technologien entwickeln, da sind wir unverändert top“.

Der Plan von Bundeskanzler Scholz, mit dem der ökologische Fußabdruck hierzulande reduziert werden soll, sieht nicht Verzicht oder Verbote vor. Er glaubt vielmehr, das Ziel werde dadurch erreicht, „dass wir weniger Ressourcen verbrauchen, sorgsamer mit unseren Rohstoffen umgehen und unsere Industrie so modernisieren, dass sie das Klima nicht schädigt.“

Professor Volker Quaschning hat noch ein paar konkrete Tipps für all jene parat, die ihren Beitrag zur Energiewende leisten möchten: Keine neuen Benzin- und Dieselautos kaufen und möglichst keine neue Öl- und Gasheizung mehr einbauen. Wenn möglich, auf längere Flugreisen verzichten – und auf einen hohen Fleischkonsum. Hilfreich sei jeder Beitrag zum Ausbau erneuerbarer Energien, „sei es auf dem eigenen Dach oder durch eine Beteiligung, zum Beispiel an einer Energiegenossenschaft.“ Das Wichtigste aber ist seiner Meinung nach „die breite Bereitschaft, endlich die nötigen Maßnahmen flächendeckend zu unterstützen und umzusetzen.“

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