Transparente Solarmodule: Wenn Photovoltaik zum cleveren Baumaterial wird

Das luftige Glasdach dieses österreichischen Hauses von Albertoni Architektur aus Wien beschattet die obere Terrasse, erzeugt mit seinen maßgefertigten, semitransparenten Solarmodulen von Schott Glas aber auch Strom. Zusammen mit einer Reihe monokristalliner Solarmodule, die auf dem Vordach des Untergeschosses angebracht sind, kann sich das Haus selbst ausreichend mit Strom versorgen. (Foto: Manfred Seidl)

Durchsichtige Solarmodule ermöglichen die ästhetische Integration von Photovoltaik in Dächer und Wände – als Dachziegel, Glasdach oder Fassadenelement. Und nicht mehr lange, dann können Solarmodule sogar vollkommen transparente Fenster sein

Der Traum von unauffälligen, möglichst unsichtbaren Photovoltaik-Modulen währt schon so lange, wie Solarmodule unsere Häuserlandschaft verändern, also seit gut 30 Jahren. Architekten, Städteplanern und Denkmalschützern sind die oft silbrig-blau-karierten Solarmodule auf roten Dächern ein Greuel. Sie sehen im wahrsten Sinne des Wortes aufgesetzt aus, ohne gestalterische Bindung an die Architektur des Gebäudes. Mittlerweile sind sie zwar oft komplett schwarz und wesentlich unauffälliger, aber eben immer noch Aufsätze. Nachträglich montierte Solarmodule beweisen, wie modern die Bewohner:innen sind, missachten aber zu oft die Homogenität des Gebäudes.

Solarmodule elegant einzubauen, ist architektonische Disziplin

Nun verunstaltet niemand absichtlich sein Haus, denn Strom auf elegantere Weise zu gewinnen, ist eben ungleich aufwendiger. Dafür braucht es vor allem die passenden Produkte. Nicht umsonst gibt es für diese Anforderung eine eigene architektonische Disziplin: BIPV, building integrated photovoltaics. Gebäudeintegrierte Photovoltaik bindet Solartechnik harmonisch in die Gebäudehülle ein, mehr noch: Solarmodule werden dann zu Baumaterial – und damit automatisch multifunktional.

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Dreifach nützlich: Die vorgehängte Glasfassade aus semitransparenten Solarmodulen an der Rückseite eines Bürogebäudes in Japan erzeugt nicht nur Strom, sondern fungiert auch als Wärmedämmung. Außerdem wertet die flächige Rasterung die Rückfront optisch immens auf. (Foto: AGC Glass Europe/agc-glass.eu)

Erst transparente Solarmodule integrieren sich in eine Gebäudehülle

Bei sog. Indachlösungen übernehmen Photovoltaik-Module zwar einen Teil der Dacheindeckung und ragen nicht heraus, fallen aber oft immer noch auf, etwa wenn schwarze Module nachträglich in rote Ziegeldächer eingesetzt werden. Um sich als nicht-statischer Teil in einen Baukörper einzufügen, also solares Baumaterial zu werden, muss ein Solarmodul möglichst transparent bzw. lichtdurchlässig sein. Das betrifft aber nur ihr Trägermaterial Glas oder Folie, denn Solarzellen selbst sind nicht lichtdurchlässig (bzw. noch nicht, siehe unten Solarfenster). Wer also derzeit nach transparenten Solarmodulen sucht, findet ausschließlich semi- oder halbtransparente Produkte. Es gibt zwei Sorten:

  1. Module mit kristallinen Dickschicht-Zellen 
  2. Module mit Dünnschicht-Zellen

Wie multifunktional semitransparente Solarmodule sein können, zeigt folgende Übersicht. Sie können …

  1. Terrassen beschatten, 
  2. Carports bedachen, 
  3. Balkone absichern, 
  4. Gewächshäuser ausfachen 
  5. gerundete Fassaden bekleiden, 
  6. farbige Flächen bilden, 
  7. Dachziegel formen, 
  8. transparente Wärmedämmung oder 
  9. ein Fenster sein
     
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Auch die Solarzellen von Creaton und Autarq, mit denen jede anthrazitfarbene Tondachziegel dieses Hauses in München beschichtet ist, sind semitransparente Dünnschichtmodule (3,2 mm). Das Trägermaterial Glas ist eingefärbt – auf Wunsch auch in klassischen Ziegelrot. (Foto: Autarq) 

Semitransparente Module mit kristallinen Zellen...

… bestehen aus mono- oder polykristallinem Silizium. Das Halbleitermaterial, mit dem die Module im Innern beschichtet sind, hat sich aufgrund seines vergleichsweise hohen Wirkungsgrades (20-25 Prozent) in der Produktion von Solarmodulen durchgesetzt. Auch in Punkto Langlebigkeit (25 Jahre) und Wirtschaftlichkeit sind Silizium-Module weltweit erste Wahl. Wie lichtdurchlässig semitransparente Module sind, wird durch die Reihung ihrer Solarzellen bestimmt: Je mehr Abstand sie untereinander haben, desto mehr Licht fällt zwischen ihnen durch. Heißt aber auch: Je dichter sie gesetzt sind, desto höher der Ertrag – und umgekehrt: je weiter auseinander, desto weniger Effizienz. Generell gilt, dass der Ertrag semitransparenter Module geringer ist als der geschlossener Module (14 Prozent).

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Markant und elegant: Balkonbrüstung aus semitransparenten Solarmodulen an einem Passivhauses in der Steiermark von Kaltenegger und Partner. (Foto: ©ertex solartechnik GmbH)

Ihr Verbundstoff kann aus bruch- und witterungsbeständigem Glas bestehen wie z.B. bei der Autarq-Solardachziegel: Jede ist ein gradliniger Tondachziegel mit einem exakt angepassten und integrierten Solarmodul. Die Solarzellen bestehen aus monokristallinem Silizium. Die Ziegel haben eine hohe mechanische Belastbarkeit (5.400 Pa), sind sicher bei Schnee und Hagel, und sie sind begehbar. Das Frontglas besteht aus gehärtetem, strukturiertem Solarglas (3,2 mm). Als Verbundstoffe werden EVA, Polyolefine und Silikon verwendet. Träger- und Verbundmaterialien anderer kristalliner Module bestehen z.B. aus Polyvinylfluorid (PVF), Ethylenvinylacetat (EVA) oder Polyvinylbutyral (PVB).

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Die Creaton PV-Autarq-Dachziegel ist an der Oberseite mit einem transparenten, monokristallinem Dünnschichtmodul belegt. Insgesamt gibt es drei verschiedene Tondachziegel in Anthrazit, Spacegrau, Schwarz oder Kupferrot. (Foto: Autarq)

Semitransparente Module mit Dünnschicht-Technologie ...

… sind aufgrund ihres Aufbaus und der Art ihrer Solarzellen wesentlich leichter als kristalline und, wie ihr Name schon sagt, dünner. So dünn, dass sie als sog. Solarfolien auch gebogen werden können. Sie brauchen keinen Rahmen und können als Träger- bzw. Verbundmaterial Glas oder Kunststoff verwenden. Damit kann Photovoltaik auch dort Strom erzeugen, wo die Installation schwerer Dickschichtmodule aufgrund der Statik unmöglich wäre. Außerdem verbrauchen Dünnschichtmodule weniger Material und kosten weniger. Dafür aber sind sie weniger effektiv (Wirkungsgrad max. 13 Prozent) und benötigen mehr Fläche, um dieselbe Leistung wie Dickschichtmodule zu erbringen.

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Anlässlich der Expo 2020 wurde diese futuristische Tankstelle in Dubai gebaut. In den Waben leuchten LEDs, die gläserne Ausfachung besteht aus den  Dünnschichtmodulen „eFORMclear“ der bayrischen Firma Sunovation. Es erzeugt ca. 74 kWp Strom. (Foto: Vector Foiltec)

Wird als Trägermaterial Glas verwendet, kann dieses eingefärbt werden („getönte Volltransparenz“), so dass die maßgefertigten Elemente ganze Fassaden gestalten können, optisch aber kaum mehr als Solarmodule erkennbar sind. Die im unterfränkischen Elsenfeld ansässige Firma Sunovation z.B. ist spezialisiert auf BIPV, sie bestückt weltweit Gebäude mit farbigen PV-Fassaden, lichtdurchlässigen PV-Glasdächern oder mit gerundeten PV-Elementen. So setzt Photovoltaik auch farbige Akzente und spielt bereits in vielen urbanen Bauprojekten eine wichtige Rolle.

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Zusammen mit der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig entwickelte die Firma Aluform für die Verkleidung ihrer Firmenzentrale in Bad Rappenau das dreidimensionales Fassadenelement „Solar Shell“ aus Aluminium, das auch an sonnen-abseitigen Flächen Solarenergie gewinnen kann. (Foto: Frank Hülsmeier, ai:L)

Dünnschicht-Solarzellen werden hauchdünn auf die Trägerschicht aufgesprüht oder aufgedampft, während kristallines Silizium geschnitten werden muss, was mit speziellen Maschinen im Reinst-Raum erfolgen muss. Dabei können zwar Scheiben von lediglich 180–250 Mikrometern Dicke erzeugt werden, die von Dünnschicht-Solarzellen betragen jedoch nur 1–5 Mikrometer. Die Zellen sind also rund hundertmal dünner als herkömmliche kristalline Silizium-Solarzellen. Je nach Art ihrer Solarzellen unterscheidet man amorphe-, Cadmiumtellurium-, CIGS- oder organische Dünnschicht-Module.

Organische Solarfolien könnten die Photovoltaik revolutionieren

Organische Dünnschicht-Module spielen in der Dünnschicht-Technologie eine Sonderrolle. Ihre Zellen basieren ausschließlich auf Werkstoffen der organischen Chemie, also auf Kohlenwasserstoff-Verbindungen bzw. Kunststoffe (alle anderen Techniken beruhen auf anorganischer Chemie). Organische Solarzellen erzeugen Strom, indem sie den natürlichen Prozess der Photosynthese in Pflanzen nachahmen, mit dem Unterschied, dass sie letztlich die Energie der Sonne nutzen, um Strom zu erzeugen, anstatt Kohlendioxid und Wasser in Glukose umzuwandeln.

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Sein neues Kongresszentrum in Basel hat Novartis rundum mit 10680 rautenförmigen PV-Modulen verkleidet, die aus organischen Dünnschicht-Solarzellen des französischen Herstellers ASCA bestehen. Die 1333 Quadratmeter große Fläche erzeugt 36 kWp Strom und gilt als besonders gelungenes Beispiel für Gebäudeintegrierte Photovoltaik. (Foto: Novartis)

Auch wenn hier nur ein vergleichbar niedriger Wirkungsgrad erzielt wird (8 Prozent) und eine transparente Folie noch nicht marktreif ist, handelt es sich um eine Technologie mit viel Zukunftspotenzial. Die Kosten einer Solarzelle, die auf Kunststoff basiert, sind extrem niedrig. Ressourcenengpässe, etwa durch selten vorkommende Edelmetalle wie Silber, wären fortan kein Problem mehr. Und nicht zuletzt lassen sich organische Solarzellen auf fast jeder Oberfläche befestigen, z.B. mit einer Klebefläche. So wie bei „HeliaSol“– die Solarfolie der Dresdner Firma Heliatek: Die durch 400 (!) Patente geschützte Folie ist „ready-to-use“, sie kommt als Rolle, wird dorthin geklebt, wo am meisten Sonne hinfällt und einfach eingestöpselt (jedes Panel hat bereits ein Anschlusskabel). Noch sind die ultraleichten Panels (200 x 43 x 0,2 cm) nicht in transparenter Form zu haben, aber diese Technologie hat das Potential, einen erheblichen Anteil der zukünftigen solaren Stromerzeugung zu übernehmen.

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Die organische Solarfolie „HeliaSol“ der Dresdner Firma Heliatek ist nur 2 mm dick und erlaubt Photovoltaik auf gewölbten oder geknickten Untergründen. Die 200 x 43 cm großen, selbstklebenden Folien sind so konfektioniert, dass sie nur noch angeschlossen werden müssen – „ready-to-use“. (Grafik: Heliatek)

Solarfenster könnten 40 Prozent des Strombedarfs decken

Wenn es gelänge, dass Fenster per se Strom erzeugen, könnte der weltweite Strombedarf mit diesem zusätzlichen Ertrag locker gedeckt werden. Die USA, wo fast doppelt so viel Strom pro Kopf verbraucht wird wie in Deutschland, könnten mit ihren geschätzt sieben Milliarden Quadratmetern Fensterfläche gut 40 Prozent ihres Stromverbrauchs decken. Zusammen mit PV-Modulen auf Dächern wäre damit der komplette Strombedarf der USA gedeckt.

Was wie Science Fiction klingt, nimmt tatsächlich Form an: In Deutschland, den USA und in Südkorea sind mehrere Forschungsteams dabei, vollkommen transparente Solarfenster zu entwickeln. Hier die Ergebnisse:

 

Solarglas aus Leipzig

Die Uni Leipzig vermeldete schon 2016 die Entwicklung einer vollkommen transparenten Solarzelle: Eine Forschungsgruppe hatte eine hauchdünn aufgetragene Schicht Nickel und Zinkoxide auf Glas leitfähig gemacht, so die ultravioletten Strahlen herausgefiltert, abgeleitet und in Elektrizität umgewandelt. Mit dieser Erfindung wären die Leipziger Solargläser konkurrenzlos preiswert (Nickel und Zink sind im Vergleich zu Silizium günstig), aber ihr Wirkungsgrad von lediglich 4 Prozent verhinderte bisher eine industrielle Weiterentwicklung.

 

Solarfenster aus dem Silicon Valley und Santa Barbara

Einen Schritt weiter ist mittlerweile eine Forschungsgruppe der Michigan State University. Aus der Entwicklung ihres Solarfensters ist das Start up Ubiquitos Energy geworden, das jüngst in seiner Firmenzentrale im Silicon-Valley ein 100 Quadratmeter großes Solarfenster eingebaut hat und damit Strom erzeugt. Und in der Firmenzentrale des Outdoor-Bekleiders Patagonia im kalifornischen Ventura wurden Ende 2022 zu Testzwecken mehrere Solarfenster des Start ups Next Energy aus Santa Barbara eingesetzt. Was auffällt, ist die Sprossenoptik der Fenster: Bisher benötigt das Glas (leider) noch viel Umrahmung, denn allein in den Rahmen befinden sich die Solarzellen.

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Wenn es tatsächlich gelingt, die energetisch relevanten ultravioletten und infraroten Strahlen des Sonnenlichts aus Fenstern herauszufiltern und in Strom umzuwandeln, wie jüngst in Deutschland und den USA ansatzweise geschehen, könnte einst auch die Kuppel des Berliner Reichstags Photovoltaik gewinnen. (Foto: xphere)

Beide Solarfenster nutzen den für das menschliche Auge unsichtbaren Teil des Lichtspektrums, also die UV- und Infrarot-Strahlen. Aufgefangen werden sie von einer Beschichtung aus organischen Salzmolekülen. Dem Forscherteam der Michigan State University ist es gelungen, diese Moleküle so zu konfigurieren, dass sie die ultravioletten und infrarotnahen Wellenlängen von Licht aufnehmen. Diese Energie wird dann an den Rand der organischen Schicht geleitet und dort – im Fensterrahmen – in schmalen Solarzellen-Streifen in Strom umgewandelt. Der Wirkungsgrad beträgt ca. 10 Prozent. Fachleute schätzen, dass das auch dem maximal Möglichen bei einer späteren Massenproduktion von Solarfenstern entsprechen dürfte.

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Das Start-up Next Energy aus Santa Barbara hat es geschafft, die UV- und Infrarot-Strahlen des Sonnenlichts herauszufiltern und zu den Solarzellen im Fensterrahmen zuleiten und nur reine Helligkeit durchzulassen. Noch ist der Ertrag sehr gering, aber die Methode funktioniert. (Grafik: Next Energy).

Solarfenster aus Incheon und Ulsan

Zwei andere Ansätze für transparentes Solarglas kommen aus Südkorea. Die erste gelang Forscher:innen der Incheon National University: Auf der Suche nach Alternativen zur herkömmlichen Halbleiter-Technologie entdeckten deren Forscher Titan- und Nickeloxid. Titanoxid absorbiert UV-Licht, Nickeloxid leitet und beide ultra-dünnen Beschichtungen sind absolut durchsichtig – ein vielversprechendes Duo, das sogar bei schlechten Lichtverhältnissen Strom erzeugt, allerdings nur mit 2 Prozent Wirkungsgrad. Deshalb wird weiter geforscht, denn die Richtung stimmt, Titan- und Nickeloxid gelten als umweltfreundlich.

Der zweite vielversprechende Ansatz aus Südkorea gelang Forscher:innen vom Ulsan National Institut of Science and Technology: Sie haben klassische, undurchsichtige Silizium-Solarzellen transparent gemacht, ohne deren Wirkungsgrad abzuschwächen. Dazu haben sie zahlreiche Löcher mit einem Durchmesser von rund 100 Mikrometern in die Solarzellen gestanzt. Das löst noch ein weiteres Problem: Transparente Solarzellen haben häufig einen rötlichen Farbstich. Die löchrigen Silizium-Zellen jedoch lassen das Licht ohne jede Verfärbung durch. Und auch der Wirkungsgrad ist erstaunlich hoch: Er liegt bei 12,2 Prozent.

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