BiPV – und plötzlich ist Photovoltaik ein elegantes Baumaterial

BiPV der Extraklasse: 50.000 Dünnschichtmodule von SunStyle bedecken Googles neuen Campus „Bay View" im Silicon Valley und erzeugen 7 Megawatt Strom. Entwurf: Bjarke Ingels/Thomas Heatherwick. (Foto: Google/Iwan Baan)

Um Klimaneutralität zu erreichen, brauchen wir mehr als fünfmal so viel nachhaltigen Strom wie bisher – 430 Gigawatt. Das wird nur gelingen, wenn drastisch mehr Gebäudeflächen für Solarenergie genutzt werden. Ein neuer Industriezweig, die Bauwerkintegrierte Photovoltaik (BiPV), stellt dafür flexible, leichte und unscheinbare Dach- und Fassadenelemente bereit. Endlich sieht Photovoltaik nicht mehr nach notwendigem Übel aus, sondern elegant und futuristisch.

Ab 2024 sind Neubauten verpflichtet, zwei Drittel ihres Energiebedarfs nachhaltig zu erzeugen. Das gelingt nur mit Photovoltaik, denn klimafreundlich wohnen und leben verlangt jetzt schon und in Zukunft erst recht: Strom, Strom und noch mal Strom, Tendenz stark steigend. Denn eins ist klar, für unsere Klimaziele muss der Betrieb von E-Autos und Wärmepumpen exponentiell steigen. Bauwillige haben also schon in ihrem Bauantrag nachzuweisen, dass sie genügend Solartechnik einsetzen werden.

Solarmodule sollten nicht nur der Umwelt dienen, sondern auch der Ästhetik der Häuser

Dass ein Haus zur „grünen“ Stromquelle wird, ist nicht nur eine technische, sondern auch eine gestalterische Herausforderung. Denn so ungern man im Wohnzimmer Wasserleitungen oder Abflussrohre sehen will, so ungern möchte man sich die Außenansicht seines Hauses von funktionalistischen Zwängen diktieren lassen. Technik sollte, wenn immer möglich, unsichtbar sein. Auch bei Photovoltaik ist das neuerdings möglich, sie kann sich optisch verstecken. In der Architektur ist Schönheit eine elementare Funktion: Jedes sinnvolle Detail eines Hauses ist zugleich ein sinnliches, es prägt die Ästhetik; das Auge wohnt mit... .

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Unter den BiPV-Herstellern nimmt Autarq eine Sonderstellung ein, weil der Hersteller aus Prenzlau klassische, flache Tonziegel mit hauchdünnen Miniaturmodulen belegt, die Photovoltaik nahezu unsichtbar machen. (Foto: Autarq)

Architektur und Forschung haben sich mit Ihrer Disziplin „BiPV“ eherne Ziele gesteckt

Schon seit Jahren plädieren Architekten und Architektinnen sowie Städteplaner:innen dafür, Solarpaneele nicht nachträglich auf Dächer oder vor Fassaden zu setzen, sondern von Anfang an mit ihnen zu bauen, sie sowohl konstruktiv wie gestalterisch in die Gebäudehülle einzufügen. Für Profis sind PV-Module immer multifunktional. BiPV, Bauwerkintegrierte Photovoltaik, nennt sich diese Disziplin, und sie betrachtet Solarmodule nicht als Appendix eines Gebäudes, sondern als elementares Baumaterial. Das macht umso mehr Sinn, weil man damit mehr Strom erzeugen kann als mit partiell aufgesetzten Modulen. Und das Gebäude wird optimiert und nicht verschandelt.

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Das Frankfurter AktivStadthaus erzeugt mit seinen 1120 Dach- und Fassadenmodulen 291 mWh/a Strom, mehr als es für seine 74 Wohnungen braucht (Hegger Hegger Schleiff-Architekten, Foto:Ralf Pelkmann, AGB Holding)

Aber nicht nur aus ästhetischen Gründen, sondern weil herkömmliche Flächen allein für die Energiewende nicht ausreichen, setzen sich zusehends auch Umweltministerien, Hochschulen und Forschung dafür ein, Photovoltaik zu einem regulären Baumaterial zu machen. Im Leitfaden der vom baden-württembergischen Umweltministerium geförderten sog. BiPV-Initiative heißt es: „Durch solare Aktivierung von Dach- und Fassadenflächen wird die bauwerkintegrierte Photovoltaik als sichtbare Technologie zunehmend unsere gebaute Umwelt in der gestalterischen Wahrnehmung beeinflussen. Um dieses Potenzial mit hoher Akzeptanz in der Bevölkerung zu erschließen, muss ein BiPV-Massenmarkt entstehen.“

Bleibt einzuwenden, dass ein solcher „Massenmarkt“ nicht nur massenhaft überzeugte Hausbesitzer braucht (die es gibt), sondern auch massenhaft Know-how und Manpower von denjenigen, die Solarmodule planen und verbauen (die es nicht gibt). Und eine Gesetzgebung, die Hürden wie Bürokratie und hohe Kosten abbaut (die es auch noch nicht gibt).

Die Energiewende gelingt nur, wenn deutlich mehr Gebäude Solarenergie gewinnen

Und zwar schnell, denn das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg (ISE) hat errechnet, dass 2045, wenn Deutschland CO2-neutral sein soll, 429 Gigawatt Stromerzeugung aus PV-Anlagen erfolgen muss. Im Moment sind es knapp 80 Gigawatt. 2030, so der Plan der Bundesregierung, sollen es schon 215 Gigawatt sein. Das heißt, binnen sechs Jahren muss die solare Stromgewinnung fast verdreifacht werden und bis 2045 sogar verfünffacht. Keine Instanz stellt in Frage, dass hierfür jedwedes Gebäude solarenergetisch betrachtet werden muss; andernfalls müsste unsere Landschaft mit PV-Modulen zugepflastert werden – was kaum vorstellbar ist.

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2021 erhielt das Marburger MVZ-Diagnosezentrum eine homogene, schwarze BiPV-Glasfassade von Sunovation aus Unterfranken. Die 161 Module brachten in 2022 eine Leistung von 25.000 Kilowattstunden (Foto:Jan Simon, Sonneninitiative)

Das Leibniz-Institut für Ökologische Raumentwicklung IÖR in Dresden hat ermittelt, dass von den in Deutschland für Photovoltaik geeigneten Gebäudeflächen nur knapp die Hälfte mit Solarmodulen bestückt werden müssten, um die nötigen 429 Gigawatt zu erzielen:

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Wenn nur 12 Prozent aller Gebäude Deutschlands BiPV-gerecht mit Solarmodulen bestückt wären, wäre die für die Klimaneutralität nötige Menge von 429 Gigawatt Strom erreicht. (Grafik: BIPV-Initiative)

Wenn also umgerechnet 2145 Quadratkilometer Dächer und Fassaden (dunkelgelbes Feld) mit Photovoltaik bestückt werden müssen, um unsere Klimaziele zu erreichen, ahnt man, dass Neubauten allein die nötige Verfünffachung des Bedarfs an Solarstrom nicht erzielen können. Und weil 60 Prozent dieser „Gebäudehüllflächen“ Dächer sind und die Hälfte davon Wohnhäuser bedecken, ist jede:r Hausbesitzer:in gefragt, schleunigst Photovoltaik aufs Dach zu bringen (z.B. mit der BiPV-gerechten Solardachziegel mit Technologie von Autarq).

BiPV-Module müssen leichter und flexibler sein als herkömmliche Paneele

Damit Solarmodule dieser Mammutaufgabe gewachsen sind, nämlich fassaden- und dachdeckend eingesetzt werden können, müssen sie in erster Linie kleinteiliger, leichter und flexibler, kurz anpassungsfähiger sein als die bekannten ca. 1,80 x 1 m großen Paneele. Dafür gibt es mittlerweile überraschend viele Produkte und Firmen - siehe Hersteller-Übersicht der BiPV-Initiative Baden-Württemberg.

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10.680 rautenförmige, transparente Solarmodule umhüllen das kreisrunde Baseler Kongresszentrum von Novartis von oben bis unten. Die organischen Dünnschicht-Solarzellen stammen vom französischen Hersteller ASCA und erzeugen 33.000 Kilowatt Strom. (Foto: Novartis)

Um sich als nicht-statischer Teil elegant in einen Baukörper einzufügen, also solares Baumaterial zu werden, ist ein BiPV-Modul in der Regel semi-transparent bzw. lichtdurchlässig. Das betrifft aber nur ihr Trägermaterial Glas (oder Kunststoff), denn Solarzellen selbst sind nicht lichtdurchlässig. Das Glas kann – etwa für Fassadenelemente – eingefärbt werden, sodass die eigentlichen Solarzellen kaum noch sichtbar sind. Je transparenter ein Paneel ist (etwa als Wintergartenverglasung), desto weniger Solarzellen hat es und desto weniger Strom kann es erzeugen. Man unterscheidet zwei Sorten: Kristalline Module und Dünnschicht
Module (siehe auch „Transparente Solarmodule:...“ ).

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Energetisch nutzbare Hausflächen (Grafik: BIPV-Initiative)

Haben klassische Module bis zu 22 Prozent Wirkungsgrad, ist der Ertrag semi-transparenter gut ein Drittel geringer. Aber die Flexibilität von Dünnschicht-Modulen und ihre Leichtigkeit erlauben es, auch Flächen energetisch zu aktivieren, die bisher einfach nur Wand, Luft oder Dach waren.

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Ein luftiges Satteldach aus Holz und semitransparenten Solarmodulen von Schott beschattet, beschirmt und krönt das Flachdach dieses österreichischen Hauses. Der Entwurf stammt von Albertoni Architektur aus Wien. (Foto: Manfred Seidl)

BiVP nutzt jede Gebäudefläche, die von Sonnenstrahlen erreicht wird

BiPV-Module erzeugen Strom in vielerlei baulichen Situationen: Sie können Terrassen und Plätze beschatten, Carports und Bahnsteige bedachen, Balkone und Brüstungen absichern, Gewächshäuser oder Atrien ausfachen, geneigte, gefaltete oder gerundete Fassaden bekleiden, farbige Flächen und Akzente bilden, als rote oder anthrazitfarbene Ziegeln ein Dach decken oder als sog. transparente Wärmedämmung vor eine Fassade gehängt werden.

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Die österreichische Gemeinde Ludesch schützt ihre neu gebaute Dorfmitte mit 120 transparenten Solarpaneelen vor Regen, Sonne und Schnee. Das transluzente Dach erzeugt 18.000 Kilowatt Strom. (Foto: Ertex-Solar)

Auch in unseren Breitengraden werden die Sommer immer heißer, extreme Hitzetage haben sich hierzulande seit 1970 verdreifacht. Eine semitransparente Solarverglasung (als Fenster, Vorhangfassade oder Überdachung) kann das Aufheizen von Innenräumen mindern. Denn in bestimmten Gebäudeteilen, zum Beispiel in Licht- oder Innenhöfen oder hinter vollflächigen Verglasungen, ist zu viel Sonneneinstrahlung geradezu gesundheitsschädlich (oder lähmt die Betriebsamkeit). In solchen Gebäudeteilen drängt sich BIPV-Solarglas förmlich auf, um die Lichtdurchlässigkeit der Scheiben zu reduzieren. Die Branche hat längst jede Menge Lösungen für Verglasungen mit eingebetteter Photovoltaik entwickelt (z.B. Schüco), die der Energiebilanz des Hauses ebenso wie der Stromrechnung guttun. Denn auch Klimaanlagen lassen sich auf diese Weise herunterfahren bzw. ganz vermeiden.

BiPV hilft dem gesamten Netz: Sie liefert mehr Strom in den Morgen- und Abendstunden

Neben den individuellen Pluspunkten für Besitzer und Nutzer im Gebäude bringt die gebäudeintegrierte Photovoltaik wichtige Vorteile für das gesamte Stromnetz. Seit Beginn des Jahrtausends wurden Solaranlagen in Deutschland zur Optimierung der gesetzlich festgelegten Einspeisevergütung fast immer in Südausrichtung montiert. Das beschert uns regelmäßig eine geballte Ladung Solarstrom am Mittag und frühen Nachmittag, während zu den Spitzenzeiten des Stromverbrauchs am frühen Abend der Solarstrom fehlt.

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In Freiburgs neuem Rathaus arbeiten 840 Menschen, deren Energieverbrauch locker von den 220.000 Kilowattstunden gedeckt wird, den die BiPV-Fassade u.a. mit 880, exakt ausgerichteten, senkrechten Modulen seitlich der Fenster erzeugt. (Foto: Ingenhoven Architects/structurae.net)

BiPV lindert das Problem. Denn in den Morgen- und Abendstunden erzeugen auch nach Osten und Westen gerichtete, schräg und senkrecht positionierte BiPV-Module Strom. Das entlastet das allgemeine Stromnetz. Auch im Winter erzeugen BiPV-Module nennenswerte Erträge an (Süd-)Fassaden, denn dann steht die Sonne tief und Dachpaneele werden generell weniger bestrahlt. Dies ist vor allem in Schneegebieten wichtig, weil Schnee die Sonneneinstrahlung durch Reflexion potenziert. Auch wenn die Nachfrage nach Wärmepumpen derzeit schwächelt – es ist davon auszugehen, dass der Strombedarf fürs Wohnen rasant zunimmt. Und dann wird vor allem in den Morgen- und Abendstunden der Bedarf weit höher sein als jetzt.

„Es handelt sich um ein wichtiges, bislang leider nur ansatzweise genutztes Potenzial“, erklärt der Bundesverband Flachglas und ergänzt: „Das Wissen für ... BiPV ist vorhanden, aufbereitet und wird in der Praxis seit langem erfolgreich angewendet. Keine Kompromisse sind auch bei der Ästhetik nötig. Denn die gebäudeintegrierte Photovoltaik lockert die Fassade auf und ist ein echter Hingucker nicht nur für die Außenwand, sondern auch für Brüstungen oder Balkone.“

Die Kosten sind erstmal höher, der Ertrag aber auch. Und das Klima dankt sowieso …

Was die Kosten für BiPV betrifft, liegen sie natürlich über denen standardisierter Aufdach-Lösungen, sie sind gut und gerne doppelt so hoch (ca. bis zu 600 Euro pro Quadratmeter). Doch da BiPV häufig individuell geplant wird, entsteht oft ein Unikat und damit ein ungleich wertigeres Gebäude als mit 08/15-Modulen. Bei der rein wirtschaftlichen Betrachtung ist daher neben der höheren Eigenstromerzeugung auch der funktionale und architektonische Beitrag zu berücksichtigen.

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Die Umweltarena in Spreitenbach bei Zürich erzeugt mit 5000 Solarmodulen 750.000 Kilowatt Strom und versorgt damit auch 120 Haushalte. Das Dach ist so geformt, dass es optimal Solarenergie akquiriert (Foto: 3S Swiss Solar Solutions)

Mehr noch: Da BiPV-Systeme andere Bauelemente ersetzen, können deren Kosten für Anschaffung und Installation direkt abgezogen werden. Dieser Umstand ist vor allem bei sanierungsbedürftigen Dächern überzeugend: Denn wenn das Dach eh neu gedeckt werden muss, kann man auch gleich Solardachziegel nehmen – und meist auch noch Fördergelder bekommen so wie Christian Retkowski aus Göttingen, den eine konventionelle Lösung letztlich genauso viel gekostet hätte. Allerdings wäre die nie erlaubt worden...

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